Elektro-Pionier mit Defiziten


(Jetzt der Motorwelt-Beitrag aus Heft 9/2010 im Volltext)

Der Karabag 500 E, ein Elektroauto auf Basis des Fiat 500, zeigt im ADAC Autotest deutliche Schwächen. Das fehlende ESP macht eine gute Testnote unmöglich, im EcoTest erreicht der Wagen nur vier Sterne.

Das Aut0 wird sofort als Fiat 500 erkannt. Aber ein Fiat ist es nicht mehr, nur dessen Hülle. Innen steckt die Antriebstechnik eines Elektroautos. Beim Losfahren sorgt das E-Mobil für Aha-Ef­fekte. Mit leisem Surren, als wäre er eine Straßenbahn, gleitet der Karabag 500 E durch die Stadt. Für den Fahrer ein spektakulär neues Fahrgefühl. Für Fußgänger weniger angenehm – sie können den Wagen überhören. „Ganz schön gefährlich“, murrt eine Mutter vor dem Kindergarten.

Die Mobilität wird sich verändern, nicht nur bei den Geräuschen: Im Jahr 2020 erwarten Experten eine Million elektrisch angetriebene Fahrzeuge in Deutschland. Ein Auto wie der Karabag 500 E ist ein Pionier, eines der wenigen Elektromobile, das Kunden heute schon kaufen oder leasen können. Ein Kleinwagen mit Elektroantrieb zum Preis eines Oberklassemobils: 60.878 €. Den Umbau besorgt die Firma
MicroVett in Italien, den deutschen Vertrieb der Hamburger Händler Karabag. RWE unternimmt einen Feldversuch mit einer kleinen Flotte der Strommobile. Der ADAC hat, um Erfahrungen mit der Zukunftstechnologie zu sammeln, drei 500 E in seinen Fuhrpark übernommen.
Einen Karabag 500 E hat der Club jetzt zum ersten Mal nach den strengen Maßstäben des ADAC Autotests untersucht. Tester Martin Ruhdorfer: „Man merkt, dass der 500 E ein nachträglich umgebautes Auto mit Elektromotor ist, allein am fehlenden ESP und daran, dass der Antrieb gelegentlich überhitzt.“ Großserienhersteller belächeln den Karabag offen als „Bastelbude“. An Prototypen wie den Smart Electric drive oder den E-Mini stellen sie höhere Anforderungen.
Für den Test des 500 E hat der ADAC die Umweltbewertung von Elektroautos eingeführt. So bläst ein E-Mobil im Betrieb zwar weder CO2 noch Schadstoffe aus, jedoch fallen Emissionen bei der Strom­produktion an. Diese Werte fließen in die EcoTest-Bewertung des E-Mobils ein. So erreicht der 500 E wegen der strengen Maßstäbe im EcoTest nur vier Sterne.
Außerorts ist es mit der Geräuschar­mut im Karabag 500 E schnell vorbei. Bei 105 km/h, der abgeregelten Höchstgeschwindigkeit, werden im Fahrzeug 70 dB gemessen – das ist nur ein Dezibel weniger als
in einem Fiat 500 Diesel bei 130 km/h. Für die Beschleunigung von 60 auf 100 km/h vergehen mehr als 26 Sekunden. Selbst Kleinwagen unter 60 PS können das zehn Sekunden flotter. Der Bremsweg von über ­
41 Metern aus 100 km/h enttäuscht. Die Heizung des 500 E wird mit Benzin betankt (Verbrauch: 0,7 l/h) und stößt im Betrieb nicht unerhebliche Abgase aus. Eine Notlösung ohne Katalysator, die dem Sinn eines abgasfreien Elektroautos widerspricht.
Positiv: Der 500 E kommt mit einer Akkufüllung sieben Kilometer weiter, als die Prospektangabe verspricht. 139 Kilometer sollten für Berufspendler, die wichtigste Zielgruppe von Elektroautos, als Reich­weite genügen. Und die Stromkosten sind mit rund drei Euro pro 100 Kilometer sehr günstig – allerdings dauert die Ladezeit 3,5 Stunden. Die passive Sicherheit des 500 E überzeugt zwar, doch das fehlende ESP schlägt voll auf die Endnote durch: 4,1. Da ist noch viel Luft nach oben.
Fazit: Der Karabag 500 E zeigt noch erhebliche Defizite. Von künftigen E-Autos erwarten wir mehr – und das für hoffentlich 30.000 statt 60.000 €.

Text: Wolfgang Rudschies, ADAC Motorwelt

4 Antworten zu “Elektro-Pionier mit Defiziten

  1. Was heißt denn hier“Pionier“. Gäähn – Wieder so ein Versuch, einen normalen Verbrenner mit einem Elektromotor zu tauschen, eine Industrie- Motorsteuerung einzubauen und ein Batteriekörbchen unter den Rücksitz zu verstecken. Der ADAC sollte keine Zeit mit Tests solcher Bastelkonzepte verschwenden, sondern den Leser aufklären was heute schon wirklich machbar ist. Z.B. leistungsfähige Schnelllader für Lithium-Zellen, die auch diesen (immer noch zu schweren) Fiat in 30 Minuten voll bekommen. Die kann man mittlerweile im Katalog bestellen. Wieso erzählt uns da ständig, dass Ladezeiten so lang sein müssen und Reichweiten so kurz ?? Das vernünftige Auto drumherum fehlt – nicht der Antrieb! Die gefährliche Schlussfolgerung lautet dann ständig: Oh Gott – nur keine Elektroautos. Am „Elektro“ liegts nun wirklich nicht mehr – eher an dem konservativen Managment der Automobilhersteller, die sich nicht von ihren Auto-Konzepten lösen.

  2. Zu dem Bericht sind schon Kommentare verfasst worden. Ich beschränke mich hier auf dien geräuscharmut für Fussgänger.
    Das Fahrrad sollte in Zukunft eine Windrassel per Gesetz angebaut bekommen und der Tretroller von unserem Nachbarskind sollte eine Kette von Blechdosen hinter sich her schleifen müssen, damit ich nicht zufällig über ihn stolpere.
    Mal ehrlich. Wenn eines tages die erhbeliche geräuschkulisse auf den Straßen nachgelassen hat, weil viele EV’s herumfahren, hört auch der Passant wieder besser was da angesurrt kommt.
    Die japanische Geräuschvorrichtung für den Prius ist eventuell nur eine Momenteinrichtung bis es ruhiger auf unseren Straßen wird.
    Und der § 1 der StVO gilt ja wohl immer und für jeden, der am Straßenverkehr teil nimmt! Das hat mit dem Geräusch nichts zu tun.

    • Ich fahre seit 2006 elektrisch und habe 52.000 km mit meinem Elektrofahrzeug beruflich und privat zurückgelegt. Mir sind noch keine Fussgänger vor das Auto gelaufen. Völliger Blödsinn, das als Argument heranzuziehen. Das Problem ist aber ein völlig anderes. Elektroautos will keiner, zumindest nicht Industrie und Wirtschaft. Denn seit ich kein Sprit mehr verbrauche und der Elektromotor wartungsfrei ist, weniger Verschleiß habe und seit Jahren lachend an Tankstellen vorbeifahre, werde ich relativ uninteressant für jene Menschen, welche als Shell-Manager Gastkolumnen ins ADAC-Heftchen schreiben.
      Übrigens sollte der umgebaute Fiat mal an meiner Solar-Tankstelle tanken kommen. Dann gibt’s auch mehr als vier Sterne – aber Vorsicht! Das hört man bei RWE nicht gerne, die künftig ihren Auto-Strom verkaufen wollen. Da sind wir Elektromobilisten etwas schneller gewesen und haben ein bundesweites Netz aufgebaut.

      Solange herkömmliche Blechkisten zu Elektrofahrzeugen umgebaut werden, werden die Tests auch nicht besser.
      Es handelt sich dabei nämlich nicht um Elektrofahrzeuge, sondern um alte Produkte mit Elektroantrieb.

      • Maxim Ernst

        Genau! Dann sollte Shell mal ganz schnell seine Tankstellen-Dächer mit Solaranlagen pflastern, da kämen einige Watt zusammen.

        Was ansonsten den technischen Vorsprung angeht, so sollten wir nicht vergessen, dass heute schon anspruchvollste Lithium- Akkus aus China kommen. Darüber hinaus liegt Deutschland bei der Entwicklung von neuen Elektromobilen bedenklich weit hinten. Der Markt ist hier weit gehend bereits aufgeteilt. Schade….

        Im übrigen meine ich, dass dieses Thema viel zu viel von Elektromobil-Theoretikern mit Wissen aus Zweit- und Dritthand diskutiert wird. Schön, wenn sich mal erfahrene Praktiker melden, die uns beweisen, dass elektrisches Fahren schon heute alltagstauglich ist. Gute Informationen bietet das http://www.elweb.de

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