Die zweite Revolution für die Autoindustrie


Ach, wäre das toll, wenn man sein Auto von Zeit zu Zeit durch ein Update auf den technisch neuesten Stand bringen könnte. Dass das schon heute möglich ist, soll das Elektroauto der Streetscooter GmbH beweisen. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer Achim Kampker über den Stand der Technik, die Zusammenarbeit mit Siemens und die Zukunft des Automobilbaus.

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Motorwelt: Wie steht es um den Streetscooter?
Achim Kampker: Wir haben mit dem Streetscooter für die Deutsche Post gerade den Praxistest abgeschlossen. Durchgeführt wurde der Test mit 50 Exemplaren der Kleinserie. Bei diesem Praxistest hat das Fahrzeug sehr gut abgeschnitten, sogar besser als die Vergleichsfahrzeuge mit konventionellem Antrieb. Es hat sich außerdem bestätigt, dass wir bei den Reparaturkosten im Falle eines Unfalls und bei den normalen Inspektionen günstiger sind. Das heißt, unser Ziel, bei den Gesamtkosten eines Fahrzeuges Vorteile gegenüber den Wettbewerbsfahrzeugen zu haben, ist erreicht. Von daher sind wir rundum zufrieden und gehen jetzt in die Vorbereitung der Serie. Ein zweiter Punkt ist, dass wir die Produktpalette deutlich ausweiten. Wir gehen runter bis zum Fahrrad mit Elektroantrieb und rauf bis zur Sprinterklasse, sodass wir die ganze Palette der Anwendungsfälle bedienen können.

Beliefern Sie bisher nur die Post oder gibt es auch andere Unternehmen, die den Streetscooter einsetzen?
Es ist größtenteils die Post, aber auch die Stadt Aachen und andere Partner haben bei uns schon Fahrzeuge bestellt. Wir bauen zur Zeit die nächsten 150 Stück auf.

Wie geht es jetzt weiter mit dem Streetscooter-Projekt?
Wir stellen die Produktion gerade um, so dass die manuelle Endmontage von ein bis zwei Fahrzeugen pro Tag auf acht bis zehn Fahrzeuge pro Tag hochgefahren wird.

Wieviele Leute sind in der Fertigung beschäftigt?
Die Mannschaft rund um die Produktion besteht aus 35 Mann.

Sie rechnen mit einem größeren Auftrag durch die Post. Ist der schon erteilt worden, da Sie die Produktion hochfahren?
Nein, noch nicht. Die zehn Fahrzeuge, die wir täglich produzieren, werden uns von anderen abgenommen. Wir rechnen aber bald mit weiteren Bestellungen der Post. Der Vorstand hat ja verlauten lassen, dass die Post bis 2020 etwa 20.000 konventionelle Zustellfahrzeuge durch Fahrzeuge mit Elektroantrieb ersetzen will. Das wären in etwa zwei- bis dreitausend Stück pro Jahr. Wir sind da guter Dinge.

Nun haben Sie sich mit Siemens darauf verständigt, dem Streetscooter zukünftig eine vollkommen neue elektronische Architektur namens Race zu spendieren. Was ist Race?
Bei Race geht es darum, das Bordnetz beziehungsweise die Steuergeräte an Bord der Autos grundlegend zu simplifizieren. Race schafft es, die übliche Anzahl von 60 bis 70 Steuergeräten auf drei oder vier zu reduzieren. Wen man bisher eine Fahrzeugfunktionalität ändern wollte, dann musste man ein oder mehrere Steuergeräte ersetzen oder zusätzlich neue Steuergeräte plus einer Verkabelung ins Fahrzeug einbauen. Das ist viel zu aufwendig und zu teuer. Und deshalb passierte das nicht. Mit Race hat man das Problem dieser Hardware-Komponenten nicht, weil die Funktionalität nicht an die Hardware geknüpft, sondern eine Frage der Software ist. Änderungen, auch nachträgliche Änderungen, geschehen also über das Aufspielen neuer Software, wie beim Computer. Das ist ein Riesenschritt.

Ist das nur ein Versuchsballon? Oder sollen die Autos tatsächlich künftig mit der Siemens-Elektronik ausgerüstet werden?
Das ist nicht nur ein Versuchsballon. Wir haben uns die Siemens-Architektur Race sehr genau und über ein Jahr lang angeguckt. Wir sind überzeugt, dass Race eine hervorragende Lösung ist. Wir sind damit in der Lage, die Autos immer wieder zu aktualisieren und beispielsweise neue Sicherheitssysteme aufzuspielen. Das funktioniert nur und lässt sich auch nur finanzieren, wenn man diesen Schritt geht.

Gilt das nur für die Autos im gewerblichen Einsatz oder genauso für ein mögliches Privatauto?
Das gilt potentiell für alle Autos. Wenn wir mit dem Streetscooter zeigen, dass das funktioniert, dann ist das ein Stück weit revolutionär und wird Nachahmer finden. Race braucht weniger Material, weniger Steuergeräte, ist flexibler und in Summe dennoch günstiger. Die Programmierumgebung für das ganze Fahrzeug ist dann nur noch eine. Im Moment gibt es eine für die Motorsteuerung, eine für das Batteriemanagement, eine für das Bordnetz und so weiter. Am Ende ist das technisch deutlich einfacher und kostenseitig deutlich günstiger in der Entwicklung.

Geschieht das Aufspielen neuer Software online, oder wird es in der Werkstatt gemacht?
Das wäre online schon vorstellbar. Aber man müsste natürlich sicherstellen, dass das Fahrzeug während des Aufspielens nicht in Bewegung ist. Dass der Kunde den Eingriff auch erlaubt und mitträgt. Und dass ein Zugriff von fremder Seite ausgeschlossen werden kann. Im ersten Schritt wird man ein Update eher im Rahmen einer Inspektion machen, also in der Werkstatt.

Interview: Wolfgang Rudschies

2 Antworten zu “Die zweite Revolution für die Autoindustrie

  1. Pingback: electrive.net » Martin Birkner, Achim Kampker.

  2. Tesla macht das schon seit Jahren in tausender Stückzahlen. Neu ist es nicht, interessant schon. Man kann die Funktionalität des Autos auch noch Jahre später über ein Software-Update einspielen. Bei Tesla wurde beispielsweise ein Berg-Anfahr-Assistent nachträglich per Softwareupdate implementiert.

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