Die geräuschlose Gefahr


Lautlos wie ein Panther auf der Jagd schleichen sie über den Asphalt: Elektrofahrzeuge produzieren im Gegensatz zu herkömmlichen Autos kaum Geräusche. In der Theorie wären sie eine große Chance für Städte, um Straßenlärm zu vermeiden. Doch dass die leisen Flitzer eine große Gefahr im Straßenverkehr darstellen, beweist ein aktueller Versuch aus Stuttgart.

Da Elektroautos sich quasi geräuschlos fortbewegen, sind Soundmodule nötig, um die Fußgänger vorzuwarnen.

Dazu nahmen 70 blinde Personen an dem Test mit zwei Elektroautos teil. Eines der Fahrzeuge war zusätzlich mit einer Brennstoffzelle ausgestattet. Ziel des Treffens war unter anderem, auf die Risiken der leisen Autos aufmerksam zu machen. Denn zu hören war nichts. Und genau das ist das Problem: Blinde müssen im Straßenverkehr auf ihre Ohren vertrauen, doch bei den elektrischen Flüsterfahrzeugen haben sie keine Chance, ein sich näherndes Auto zu erkennen. Und nicht nur für Blinde stellt die Geräuschlosigkeit der E-Autos eine Gefahr dar: Jeden Fußgänger, jung wie alt, betrifft das Problem.

Thomas Stetter von der Stuttgarter Regionalgruppe des Vereins Pro Retina, einer Gruppe für Menschen mit Netzhautdegeneration, erklärt gegenüber den Stuttgarter Nachrichten: „Diese Fahrzeuge sind eine tolle Ingenieursleistung, aber man bemerkt sie höchstens, wenn sie über einen Gullydeckel rumpeln.“

Die Lösung des Problems wäre ein künstliches Geräusch, das eindeutig auf ein Elektroauto hinweist und den Fußgänger vorwarnt. Besonders Blindenverbände setzen sich seit längerer Zeit dafür ein: Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband forderte schon vor zwei Jahren in einem Schreiben an die Bundeskanzlerin einen unverwechselbaren Sound für E-Autos. Auf einer Tagung im Dezember sollen gemeinsam mit den Verbänden Lösungen erörtert werden. Doch bis zu einem einheitlichen Gesetz dauert es wohl noch eine Weile: Man arbeite an einer internationalen Lösung, heißt es von den Vereinten Nationen.

Der Autobauer Daimler, der die zwei Autos zur Verfügung stellte, ist auf dem richtigen Weg: Der neue E-Smart ist auch in Deutschland optional mit einem Soundmodul ausgestattet, das bis zu einer Geschwindigkeit von 30 km/h für entsprechende Fahrgeräusche sorgt; bei höherer Geschwindigkeit sind Wind und Reifen die Geräuschquelle.

10 Antworten zu “Die geräuschlose Gefahr

  1. Warum hat man keine gehörlosen Testteilnehmer verwendet ? Ach so, damit das gewünschte Ergebnis herauskommt.

    Ab 20 km/h sind die Reifen-Abrollgeräusche durch Blinde problemlos wahrnehmbar. Unter 20 km/h sind die Blinden durch den Fahrer problemlos wahrnehmbar (Gelbe Binde!) Blinde Fahrer sollten unabhängig von der Antriebsart nicht zum Einsatz kommen.

  2. Seit 2007 werden in meiner Familie die meisten km elektrisch gefahren.
    Die Zähler unserer beider E-Autos stehen auf etwa 100 Tkm. In dieser Zeit hatten wir 3 „Fast Unfälle“ bedingt durch fehlende Fahrgeräusche.

    1. Ein Fahrradfahrer wechselt ohne nach hinten zu sehen vom Fußweg auf die Straße …
    2. Ein PKW-Fahrer steigt, Handy am Ohr, aus dem Auto aus
    3. Ein junger Hirsch springt, ohne nach rechts und links zu sehen, auf die Straße, nach dem Unfall wollte er dann auch noch Unfallflucht begehen ..
    .
    Das Problem liegt woanders. Der Fahrer eines E-Fahrzeuges muß sich dessen bewußt sein und vorrauschauend fahren, einfach gesagt, mit der Unkenntnis der anderen rechnen. Ich bin schon mehrere Minuten hinter einer Wandergruppe auf einer Anliegerstraße hinterhergefahren, ohne das es von den Wanderern jemanden gestört hat … aber der Augenblick, als sich dann doch jemand umdrehte … !!!
    Es wird wieder etwas Können, Erfahrung, Kenntnis gefordert, man sollte vorrausschauend fahren dann ist E-Autofahren auch für Blinde ungefährlich.
    Mit einem Soundmodul wird nur versucht das „Unvermögen“ des Fahrers zu kompensieren, was mit anderen technischen Mitteln seit Jahren von den Herstellern getan wird.
    Verantwortungsbewußtsein, Kenntnis, Fähigkeiten und ein defensiver Fahrstil sind unersetzbar.
    Ähnlich ist es in der Fliegerei, mit technischen Geräten, Computern, S/W u.v.a.m. ist man der Meinung den Trainigszustand herunterfahren zu können. Denn Bildung kostet Geld, Fahrstunden kosten Geld … den Rest kennt man.
    Übrigens, früher trugen Blinde mal eine gelbe Armbinde, an der sie schon von weitem erkennbar waren …
    Meine Meinung, 3 gefährliche Situationen auf mehr als 100 Tkm bei einem, der Spezie E-Fahrzeug angepaßten Fahrstil sind aussagekräftig genug.

    • Bernhard Liesenkötter

      Sehr gut, dass einmal ein Elektro-Fahrer mit langer Erfahrung die vermeintliche Problemlage erläutert. Es deckt sich genau mit meiner Darstellung und meinen Erwartungen.
      Übrigens soll in einer amerikanischen Studie von 2008 in Bezug auf den damals als gefährlich angesehenen Hybrid-Prius festgestellt worden sein, dass bei den Unfällen mit Blinden innerhalb von 5 Jahren kein einziger Prius beteiligt war – und dass bei der Gesamtheit aller US-Fußgänger-Toten sich der Prius nicht besonders hervorgetan hat („Analysis of blind pedestrian deaths and injuries from motor vehicle crashes“).
      Also – wozu ein sound-Modul?

    • Das Beispiel und die Schlußfolgerung deckt sich mit meiner Sichtweise. Ich möchte jedoch hinzufügen, daß ich ähnliche Situationen mit Verbrennern (PKW und Motorräder – erster Typ max. 70.000km/Jahr, zweiter 30.000km/Jahr) erlebt habe. Man kann folglich nicht zwangsläufig auf Geräuschlosigkeit verweisen.

      Eigenes vorausschauendes, mglst. defensives Verhalten würde jedem im Straßenverkehr gut stehen.

      Weiterhin ist in meinen Augen die Herangehensweise vermeintliche (!) Schwächen wie fehlende Aufmerksamkeit / Achtsamkeit / Bewußtsein / Toleranz mit techn. Mitteln ausgleichen zu wollen, nicht der nachhaltig korrekte Weg. Es ist der Weg einer sich immer stärker individualisierenden, von einander abrückenden, konsumorientierten, unfreundlicher werdenden Gesellschaft mit auf kleiner Flamme loderndem Verstand.

  3. Und bekomme ich für meine Fahrräder auch sowas?

    Ne, ich finde solche künstliche Geräusche nur noch lächerlich.

  4. Sehbehinderte sind – und da gehe ich mit – eine Gruppe, auf deren gesonderte Bedürfnisse eingegangen werden muß. ABER…

    Wie oben schon angesprochen: Was ist mit Radfahrern? Pedelecs? Inline-Skatern? Roller? Bobbycars? Dreiräder? Mit denen gibt es wohl kein vermeintliches „Geräusch-Problem“? Wobei just jene Fahrzeugtypen ja so gern aus städtischen Fußgängerzonen verbannt werden – da sie durch ihre Geräuschlosigkeit von anderen nicht wahrgenommen werden (mit Ausnahme der letzten zwei wg. Niedlichkeitsbonus).

    Spontan fällt mir dazu ein: Gegenseitige Rücksichtnahme und Aufmerksamkeit. Vorm Straße überqueren links und rechts kucken (so man das kann). Und schon sollte ein Gros der herbeigedachten Probleme gelöst sein.

    Hat in höheren Sphären evtl. mal jemand darüber nachgedacht, was für Chancen wir vergeben? Wir könnten das tägliche Hintergrundgebrumm, welches über jedem noch so kleinen Dörfchen hängt, auf ein Minimum reduzieren. Man müßte nicht mehr ins ferne Ausland fahren, um mal wirkliche Ruhe erleben zu können (in Dtl. gibt es faktisch kein zusammenhängendes Stück Land ohne Geräusch- und Lichtverschmutzung mehr).

    Mit Soundmodulen in Fahrzeugen könnte man sicher grandiose neue Märkte & Konsum schaffen. Und genau wie heute auch schon finden sich auch zukünftig zwangsläufig kreative Köpfe, dies für eigene Zwecke zu modifizieren. Was heute der dicke Auspuff könnte morgen schon Metallica mit 90DB Schalldruck sein. Zugegeben: Über sowas würde ich mich – kurzzeitig – hämisch freuen so es Vorschriften bzgl. künstlicher Tonerzeugung gäbe…

    Aber ich würde auch traurig der vergebenen Chance hinterhersehen…

  5. Ich schließe mich meinen Vorrednern an.
    Diesen Artikel hätten sie sich echt sparen können. Das fängt schon beim Titel auf BILD-Niveau an.
    Müssen wir Menschen alles irgendwie so zurecht gedreht bekommen, dass man sich selbst am besten gar nicht ändern/anpassen braucht?
    Nein muss man nicht!
    Der Mensch ist doch (meistens) höchst anpassungsfähig. Die Menschen passen sich doch auch an die steigenden Spritpreise an indem sie weniger fahren oder auf den ÖPNV umsteigen.
    Eine Anpassung an leisere Autos ist also in meinen Augen genauso möglich. Und Artikel dieser Art klingen für mich immer so, also würde man davon ausgehen, dass Morgen nur noch leise E-Autos unterwegs sind, dabei wird die Lärmreduzierung durch E-Autos langsam (leider) ablaufen. Also hat jeder Zeit genug sich daran zu gewöhnen und um zu stellen.

  6. Schon wieder so ein toller „aktueller Versuch aus Stuttgart“…
    Und es soll immer noch Leute geben, die sich wundern, warum eAutos (noch!) so teuer sind: da braucht man tatsächlich 70 blinde Personen, um festzustellen, dass eAutos recht leise sind…
    Als ob so ein dicker 8-Zylinder, der bei 30 km/h im Standgas vor sich hin tuckert, lauter wäre.
    Was ist mit Fahrrädern und eFahrrädern? Die sind auch nicht lauter.
    Wobei es sowieso nicht stimmt, dass eAutos vollkommen geräuschlos sind.
    Aber Hauptsache, man kann mal wieder etwas POSITIVES (die geringe Lautstärke) so verdrehen, dass es NEGATIV wird.

    Das hier ist ein reisserisch geschriebener Artikel, der wieder Mal nur dazu dient, das Image von eAutos zu sabotieren!

  7. Bernhard Liesenkötter

    Ich bin Elektro-Smart-Fahrer, aber ohne Sound-Modul!
    Ich habe (im letzten Jahrtausend) in der Fahrschule gelernt, dass ich auf Fußgänger und andere langsame Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen muss. Als Fußgänger wiederum gehe ich nur bei Grün an der Fußgängerampel!
    Wo liegt da das Problem? Heutige Jugendliche stopfen sich sowieso Mega-(oder gar Giga-)Phons direkt ins Ohr, wozu sollen da Fahrzeuge außer mit der Hupe noch Geräusche machen?
    Und welche Geräusche bekommen dann die Radfahrer verschrieben?? Deren Unfall-Impact ist auch nicht von schlechten Eltern…
    Ich sehe ihn schon kommen, den Markt mit dem Fahrgeräusch-Download („morgen fahre ich mal mit Maserati-Sound“).
    Ich beobachte häufig Fußgänger, die sich plötzlich überrascht fühlen, wenn sie mich wegfahren sehen; das kommt aber nur von der Gewohnheit, dass sie bisher üblicherweise etwas gehört hätten. Dabei bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr.

  8. Das Problem ist, wir sind seit Kindheit an den Motorenlärm gewöhnt. Reifenabrollgeräusche sind schon bei etwa 10km/h wahrnehmbar, sofern nicht andere Geräusche deutlich lauter sind. Wenn nun EIN Fahrzeug in der Masse keine Geräusche macht, nimmt man das im Straßenverkehr nicht wahr, da die übliche Geräuschkulisse (andere Fahrzeuge) das leise Fahrzeug übertönen.
    Sollten in einer (sehr) fernen Zukunft mal alle Verbrenner von den Straßen verbannt sein, kann man auch wieder einzelne Elektrofahrzeuge wahrnehmen. Hoffen wir, dass die künstlichen Geräusche abstellbar sind. Ich mag mir gar nicht vorstellen was in einer Stadt an der Ampel los ist, wenn 50 E-Autos gleichzeitig losfahren…

Hinterlasse einen Kommentar